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Ein gutes Jahr liegt es jetzt zurück, dass ich mit dickem Babybauch zuhause war und jeden Handgriff als anstrengend empfand. In dieser Zeit begann ich, im Internet nach Ideen zu suchen, wie ich den großen Sternentänzer beschäftigen kann, ohne mich selbst körperlich allzu sehr zu belasten. Dabei stieß ich eher zufällig auf das Konzept von Maria Montessori und habe viele Anregungen gesammelt, wie man es innerhalb der Familie umsetzen kann. Ich habe mich so sehr für diesen Ansatz begeistert, dass ich den kleinen Sternentänzer von Beginn an damit vertraut gemacht habe. Jetzt ist ein Jahr vergangen und ich möchte die Möglichkeit nutzen, ein Fazit zu ziehen. Wie sinnvoll ist Montessori im Alltag, und macht es einen Unterschied, ob man bereits im Babyalter damit beginnt oder erst im Alter von 3 Jahren?
Gestartet habe ich (logischerweise, denn der kleine Sternentänzer war ja noch in meinem Bauch) mit dem großen Sternentänzer unter dem Motto „Montessori für Späteinsteiger“. Bei uns war nicht von heute auf morgen „alles Montessori“ (das ist auch nicht der Anspruch). Am Anfang habe ich immer mal wieder eine Spielidee eingebracht, wie Wasser schütten:
Oder ich habe dem großen Sternentänzer sein Spielzeug auf eine andere Art präsentiert. An diese neue Herangehensweise musste er sich erst gewöhnen. Ich habe oft geschwankt zwischen Gedanken wie „das funktioniert einfach nicht, er macht immer alles anders als ich es vorgesehen habe“ und „wie kreativ mein großer Sternentänzer doch ist, er probiert immer aus, was man noch mit den Dingen anstellen kann“. Es gab also Angebote, die völlig anders ankamen als geplant, aber ich dachte mir, auch egal, dann ist das wohl seine Art, sich damit zu beschäftigen. Irgendwann habe ich angefangen, sein Zimmer etwas umzugestalten, damit er mehr Arbeitsfläche hat, und wo ich gezielt Dinge platzieren kann. Seitdem findet er dort ein wöchentlich wechselndes Angebot an Möglichkeiten vor, sich zu beschäftigen. Manchmal ist es sein bekanntes Spielzeug, Bastelmaterialien, oder eben Ideen, die ich für ihn vorbereite.
Seitdem habe ich eine Veränderung in seinem Verhalten festgestellt. Der große Sternentänzer fragt jetzt oft „Mama, hast du eine Überraschung für mich vorbereitet?“. Und mittlerweile hat er auch den Ehrgeiz, die Dinge so auszuführen, wie sie gedacht sind. Er sieht eine Übung und fragt „Was kann man damit machen?“. So bin ich mir sicher, dass er wirklich Interesse hat. Ich versuche, so wie bei Montessori üblich, nicht zu viel zu erklären, wenn ich ihm etwas zeige, damit er sich voll und ganz auf meine Handlung konzentrieren kann. Am Anfang fand er das witzig und hat gelacht, weil ich nichts gesagt habe, jetzt versteht er es als Zeichen, ganz aufmerksam hinzusehen. Seit neuestem ist es putzig, er kommt mit Dingen zu uns Eltern und erklärt uns, dass er etwas vorbereitet hat, was wir zusammen machen können. Oder er gibt mir ein Material und sagt, damit möchte er etwas machen, ob ich mir dazu etwas ausdenken kann. Zuletzt waren es Perlen, auf denen Buchstaben abgebildet waren.
Er wollte von sich aus die Buchstaben lernen. Also hat er die Perlen auf ein Tablett gegeben. Wir haben ihm den Anfangsbuchstaben seines Namens gezeigt und gesagt: „So sieht er aus, findest du noch mehr davon?“ In der Zwischenzeit haben wir überlegt, welche Worte noch mit diesem Buchstaben beginnen. Gerade weil er von sich aus kam und gesagt hat, er will das lernen, hat es ihm richtig viel Spaß gemacht und er war sehr konzentriert dabei. So haben wir ihm alle Buchstaben seines Namens vorgestellt, jedes Mal gezählt, wie viele Perlen von einem Buchstaben er gefunden hat, und zum Schluss die Buchstaben zu seinem Namen zusammengesetzt. Die Übung hat sich irgendwie aus sich selbst heraus entwickelt. So etwas wäre früher undenkbar gewesen. Jetzt kann es natürlich sein, dass der große Sternentänzer einfach ein Jahr älter und damit reifer geworden ist und deshalb anders mit den Sachen umgeht. Das lässt sich nicht ausschließen. Aber ich habe das Gefühl, die Art, wie ihm Dinge angeboten werden, hat erheblichen Einfluss darauf, wie er sich damit beschäftigt. Bei Montessori sind das die Grundsätze der „vorbereiteten Umgebung“, was übersetzt soviel heißt wie, das Kind kann sofort loslegen und muss sich sein Zeug nicht erst zusammen suchen und der Grundsatz der „isolierten Eigenschaft“, das heißt, es wird auf genau eine Sache ein Fokus gelegt und jede Ablenkung davon, z.B. durch schrille Farben oder tausend andere Dinge, die herumliegen, wird vermieden (Auf meiner Seite zum Montessori-Konzept könnt ihr das, und was außerdem dazu gehört, noch einmal ausführlich nachlesen). Aus meiner Sicht macht es einen riesengroßen Unterschied, wenn man alleine diese beiden Punkte beachtet. Bei einigen Übungen lohnt sich durchaus auch ein „zweiter Versuch“. Dass eine Übung beim ersten Mal ausprobieren nicht gleich begeistert angenommen wird, heißt nicht, dass sie schlecht oder sinnlos ist. Bei meinen beiden Sternentänzern habe ich es schon erlebt, dass ich eine Übung mehrmals angeboten habe, bevor das Interesse geweckt war. Man muss einfach üben, genau hinzuschauen, wann ein Kind sich für etwas interessiert, und trotzdem sind sie teilweise unberechenbar :-). Ich habe verschiedene Montessori-Materialien angeschafft, wie Einsatzzylinder, die liegende Acht oder numerische Stangen. Die Materialien sind ausnahmslos toll und ich versuche sie so einzusetzen, dass der große Sternentänzer auf jeden Fall Spaß damit hat. Sein Zimmer ist immer noch ein Kinderzimmer und keine Schule, ich zwinge ihm nichts auf. Aber ich merke, er kann sich gut mit dem Material beschäftigen und ist neugierig darauf.
 
Für alle, die sich für Montessori-Material und den Umgang damit interessieren, plane ich demnächst einen eigenen Blogbeitrag. Ich bin nämlich ganz fasziniert davon… Eltern, deren Kinder in eine Montessori-Einrichtung gehen, raten davon ab, diese Dinge auch zuhause zu benutzen. Es könnte zu Verwirrung führen, falls die Materialien zuhause anders angewendet werden als in der Einrichtung – aber da es in unserer Umgebung keine Montessori-Einrichtung gibt und mein großer Sternentänzer eine „herkömmliche“ Einrichtung besucht, kann es seinen Erfahrungsschatz nur bereichern, wenn ich ihm die Möglichkeit gebe, sich mit Montessori-Materialien zu beschäftigen.
Was hat sich noch verändert? Mein Blick auf die Kinder, würde ich sagen. Ich versuche, sie ganz genau zu beobachten und herauszufinden, an welcher Stelle sie gerade Unterstützung benötigen, was sie gerade lernen wollen. Und dann denke ich mir dafür, ganz oft mit Ideen von Pinterest, Angebote aus. Dieses Beobachten hat mir eine ganz andere Sicht auf meine beiden Sternentänzer ermöglicht, und ich bin froh darüber.
Gerade am Anfang war es nicht immer einfach, das Montessori-Konzept umzusetzen, und mehrmals habe ich gedacht, dass vielleicht doch alles Quatsch ist. Aber das Ergebnis nach einem Jahr kann sich sehen lassen. Es scheint so, als ob mein großer Sternentänzer gerade bei den Übungen, die eigentlich für den kleinen gedacht sind, manchmal richtig aufblüht, als hätte er irgendwas nachzuholen. Und das nicht nur, weil er dabei sein und mitmachen will, sondern weil er einfach Spaß daran hat. Für mich ist das schön, weil sich meine Vorbereitung dann doppelt lohnt… Kommen wir zum kleinen Sternentänzer und dem Modell „Montessori von Anfang an“: Für den kleinen Sternentänzer hatte ich ziemlich schnell ein eigenes Regal eingerichtet, auf dem ich Montessori-gerecht alles schön präsentieren konnte (darüber habe ich einen Beitrag geschrieben). Er kennt es also gar nicht anders. Er hat  zwei Kisten mit Spielzeug, deren Inhalt immer mal wieder im Regal zu sehen ist. Meist beschäftigt er sich mit den Dingen in seinem Regal, aber hin und wieder hat er auch Spaß daran, einfach die Kisten auszuräumen und sich zu freuen, was er dort alles findet.
Im Schrank habe ich ein Fach, in dem mein „Montessori-Zubehör“ verstaut ist, also Tabletts, Schälchen, Gläschen, Kisten, Steine, Muscheln usw. Für ihn ist es mit Abstand das Allergrößte, dieses Schubfach aufzumachen und genau zu inspizieren. Anders als damals beim großen Sternentänzer haben wir diesmal tatsächlich nicht so viel Spielzeug aus Plastik und nur eine Sache, die Musik macht und dudelt. Dadurch hatte der kleine Sternentänzer von Beginn an die Möglichkeit, sich konzentriert mit nur einer Sache zu beschäftigen. Und es ist wirklich so, dass er von sich aus zu einer Beschäftigung geht, diese in Augenschein nimmt, sich damit beschäftigt, und dann nach einer Weile zur nächsten Sache wechselt.
Er benötigt sehr wenig Input von uns Eltern, außer wenn ich ihm etwas Neues zeige. Wir spielen gerne und viel mit ihm, es ist aber kein ständiges Bespaßen und „guck mal hier, was ich hab“. Der kleine Sternentänzer entdeckt seine Welt, auch ohne dass wir ständig im ihn herum sind, dabei ist er viel ausgeglichener, völlig bei der Sache und kann in seinem eigenen Tempo lernen.
Besonders interessant finde ich, dass beide Kinder kaum noch Wert auf „richtiges“ Spielzeug legen. Materialien aus dem Haushalt oder der Natur stehen gleichwertig daneben und sind teilweise sogar noch interessanter. Wichtig ist, dass man sich lange und vielseitig damit beschäftigen kann.
Fazit: Egal, wann man mit „Montessori“ beginnt, die Kinder werden auf jeden Fall davon profitieren. Sie setzen ihre Sinne ein, lernen neue Fähigkeiten und sich selbst besser kennen und haben eine Menge Spaß. Man selbst achtet genauer auf seine Kinder und beschäftigt sich ganz gezielt mit ihnen, was die gegenseitige Bindung stärkt (das allerdings nicht von heute auf morgen). Manchmal lernt man sogar etwas über sich selbst. Probiert es einfach mal aus! Im schlimmsten Fall findet ihr und eure Kinder es doof und ihr lasst es wieder, im besten Fall seid ihr begeistert und wollt mehr davon. Das war jetzt sehr lang und sehr viel, aber ich wollte meine Erfahrungen unbedingt mit euch teilen. Ich hoffe, ich konnte ein wenig zum Nachdenken anregen. Nächste Woche gibt es wieder eine schöne Spielidee, versprochen. Bis dahin, Franzi
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